Finanzierung mittels Kleinanleihe seit 21.07.2019 ohne Wertpapierprospekt einfacher möglich

Kleine und mittelständische Unternehmen stehen häufig vor der Frage, wie sie mit überschaubarem Kosten- und Arbeitsaufwand Fremdkapital beschaffen können. Während für kleine Projekte mitunter lediglich an die Kapitalbeschaffung aus dem Freundes-, Familien- oder Mitarbeiterkreis gedacht wird, machen größere Projekte die öffentliche Werbung um Anleger erforderlich. Für Projekte bis 8 Mio. kommen hierfür insbesondere Anleihen in Betracht, die nach der zum 21.07.2019 geänderten Rechtslage unter gewissen Voraussetzungen keinen umfangreichen Wertpapierprospekt mehr erforderlich machen. Bei der Annahme von Kundengeldern sind allerdings die finanzaufsichtsrechtlichen Vorschriften zu beachten, insbesondere muss die Wertung als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft verhindert werden.

Anleihe ohne Prospekt

Seit dem 21.07.2019 ist es auch in Deutschland nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 WpPG möglich, Emissionen von Anleihen mit einem Volumen von weniger als 8 Mio. EUR unter bestimmten Voraussetzungen ohne einen von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekt umzusetzen. Dadurch soll Unternehmen erleichtert werden, Kapital aufzunehmen. Besonders geringe Anforderungen werden an öffentliche Angebote bis 100.000,00 € gestellt. Im Einzelnen geltend grundsätzlich folgende Schwellenwerte für prospektfreie Emissionen:

I. Öffentliches Angebot von weniger als 100.000 Euro

– Keine Voraussetzungen

II. Öffentliches Angebot von 100.000 Euro oder mehr und weniger als 8 Mio. Euro

– Wertpapier-Informationsblatt (sog. WIB)

– kein Prospekt

–  Einzelanlageschwellen für nicht qualifizierte Anleger (in erster Linie: Privatpersonen) sind zu beachten

–  Vertrieb nur im Wege der Anlageberatung oder Anlagevermittlung durch ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen

Achtung: Qualifizierung als Einlagengeschäft ist zu vermeiden

Wie eingangs erwähnt, sollten Kapitalsuchende allerdings unbedingt verhindern, dass ihr Projekt von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als erlaubnispflichtiges Bankgeschäft qualifiziert wird. Denn grundsätzlich stellt bereits die Annahme eines einzelnen Geldbetrags mit dem Versprechen zur Rückzahlung ein Einlagengeschäft gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Kreditwesengesetz (KWG) dar.

Nach der gesetzlichen Regelung erbringt das Einlagengeschäft, wer „fremde Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums“ entgegennimmt. Unter den Begriff des Publikums fällt jede natürliche oder juristische Person, solange es sich nicht um eine Bank handelt. Das gilt regelmäßig auch für Freunde, Bekannte, Familienmitglieder, Arbeitnehmer, Gesellschafter oder Kunden. Entscheidend ist für die Qualifikation als Einlagengeschäft, ob eine unbedingte Rückzahlung an den Anleger vereinbart wurde.

Das wesentliche Kriterium bei der Beantwortung der Frage, ob Guthaben auf Gesellschafterkonten als Einlagen im Sinne des KWG zu qualifizieren sind, ist die Unbedingtheit des Rückzahlungsanspruchs. Unbedingt rückzahlbar sind nur solche Gelder, die nicht an Verlusten teilnehmen. Eine solche Unbedingtheit liegt nach Auffassung der BaFin insbesondere dann nicht vor, wenn der Rückzahlungsanspruch – bei Gesellschaften, bei denen keine natürliche Person haftet – lediglich in der Insolvenz gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig ist. Vielmehr darf die Rückzahlung dieser Gelder die Insolvenz der Gesellschaft schon nicht verursachen (sog. „vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre“).

Eine Erlaubnispflicht und somit eine Beaufsichtigung durch die BaFin besteht allerdings nur dann, wenn das Einlagengeschäft auch gewerbsmäßig betrieben wird. Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte werden bereits dann gewerbsmäßig betrieben, wenn der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt ist und der Betreiber ihn mit der Absicht der Gewinnerzielung verfolgt. Auf die äußere Form kommt es nicht an. Für ein auf Dauer angelegtes Betreiben genügt es nach Auffassung der Rechtsprechung bereits, wenn Bankgeschäfte in ähnlicher oder gleicher Weise geschäftsmäßig wiederholt werden. Lediglich ein einzelnes oder mehrere einzelne bei Gelegenheit vorgenommene Bankgeschäfte sind davon ausgenommen. Die Schwelle ist hier denkbar niedrig, bereits die zweite oder dritte typisierte Transaktion wird regelmäßig den Tatbestand des gewerblichen Bankgeschäfts erfüllen. Genau hier liegt das Gefahrenpotential, da den Beteiligten häufig gar nicht bewusst ist, dass sie bereits den Tatbestand der Gewerbsmäßigkeit verwirklichen und damit eine Tätigkeit erbringen, für die sie eine Erlaubnis der BaFin benötigen. Auf eine positive Kenntnis kommt es in diesem Zusammenhang aber gerade nicht an.

Das unerlaubt betriebene Einlagengeschäft kann gravierende Folgen für ein Unternehmen haben. Wir erleben in unserer alltäglichen Praxis immer wieder, dass vielen kapitalsuchenden Unternehmern die finanzaufsichtsrechtlichen Vorschriften für das Einlagengeschäft nicht bekannt sind. Damit setzen sie sich erheblichen Risiken aus. Denn sobald die BaFin Kenntnis von derartigen Geschäften erlangt, ergreift sie in der Regel zeitnah konsequente aufsichtsrechtliche Maßnahmen. Hierzu gehört die Anordnung der unverzüglichen Rückzahlung der Gelder an die Anleger, was viele Unternehmen nicht unmittelbar leisten können und sie in die Insolvenz treibt. Hinzu treten Ansprüche der Anleger unmittelbar persönlich gegen die Verantwortlichen des Unternehmens, für welche die Vorstandsmitglieder oder Gesellschafter mit ihrem privaten Vermögen haften. Seit einigen Jahren ist der BaFin überdies das sog. „Naming and Shaming“ gestattet. Dahinter verbirgt sich die Möglichkeit bestimmte Maßnahmen und Sanktionen, die sie wegen Verstößen gegen Verbote und Gebote im Bereich der Wertpapieraufsicht erlassen hat, auf ihrer Webseite bekannt zu machen. Die damit einhergehenden Reputationsschäden können existenzbedrohend wirken.

Rechtliche Beratung einholen

Für kapitalsuchende Unternehmen kann insbesondere die Ausgabe von Anleihen interessant sein. Vor allem bei kleinen Finanzierungsvolumen, die keinen Wertpapierprospekt erforderlich machen, ist eine rechtlich sichere Umsetzung mit überschaubarem Arbeits- und Kostenaufwand möglich. Die Geschäftsführer sollten ein Anleihenprojekt jedoch unbedingt rechtzeitig auf ihre Erlaubnispflicht als Einlagengeschäft prüfen lassen. Die Qualifikation als Einlagengeschäft lässt sich juristisch mitunter einfach lösen, in dem eine unbedingte Rückzahlungsverpflichtung des Anlegerkapitals vermieden wird.

mzs Rechtsanwälte begleitet kleine und mittelständige Firmen bei der rechtssicheren Gestaltung von Kleinanleihen.

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