Wenn Online-Plattformen Kundengelder entgegennehmen und weiterleiten, ist das ein nach dem ZAG erlaubnispflichtiger Tatbestand. Online-Plattformen umgehen die Erlaubnispflicht dadurch, dass sie die sog. Handelsvertreterausnahme nutzen. Die Handelsvertreterausnahme ist ein zentraler Punkt, der im Rahmen der Überarbeitung der PSD2 durch die 3. Zahlungsdiensterichtlinie (PSD3) und die sie begleitende Payment Services Regulation (PSR) intensiv diskutiert wird. Sie betrifft insbesondere Geschäftsmodelle von Plattformen und Marktplätzen, die bisher unter bestimmten Bedingungen Zahlungen ohne eigene Zahlungslizenz abwickeln konnten. Das könnte nun vorbei sein.
Was ist die Handelsvertreterausnahme?
Grundsätzlich benötigen Unternehmen, die Zahlungsdienste erbringen (z.B. Gelder entgegennehmen und weiterleiten) eine Lizenz als Zahlungsdienstleister. In Deutschland ist die hierfür zuständige Aufsichtsbehörde die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Bereichsausnahme für Handelsvertreter (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ZAG in Deutschland, basierend auf Artikel 3 lit. b der PSD2) sieht jedoch vor, dass bestimmte Tätigkeiten, die von einem Handelsvertreter ausgeübt werden, nicht als Zahlungsdienst gelten und somit keiner Lizenz bedürfen.
Die Kernvoraussetzungen dieser Ausnahme sind, dass der Handelsvertreter:
- Nur im Namen des Zahlers ODER nur im Namen des Zahlungsempfängers agiert. Er darf nicht gleichzeitig für beide Seiten tätig sein.
- Befugt ist, den Verkauf oder Kauf von Waren oder Dienstleistungen auszuhandeln oder abzuschließen. Das bedeutet, er muss einen gewissen Verhandlungs- oder Entscheidungsspielraum bezüglich des zugrundeliegenden Geschäfts haben.
Die Handelsvertreterausnahme in der bisherigen Aufsichtspraxis der BaFin Praxis:
Diese Ausnahme ist für viele Online-Plattformen und Marktplätze sehr relevant. Sie ermöglicht es ihnen, Zahlungen von Käufern zu empfangen und an die Verkäufer weiterzuleiten, ohne selbst eine aufwendige und teure Zahlungslizenz zu benötigen. Die BaFin (und andere europäische Aufsichtsbehörden) haben diese Ausnahme jedoch schon unter der PSD2 sehr restriktiv ausgelegt. Insbesondere bei Plattformen, die eine Vielzahl von Anbietern und Kunden zusammenführen und die Zahlungsströme zentral abwickeln, wird oft argumentiert, dass sie faktisch für beide Seiten tätig sind oder keinen ausreichenden Verhandlungsspielraum besitzen. Deswegen war es auch schon unter der bisherigen Praxis sehr schwierig, die Handelsvertreterausnahme für sich fruchtbar zu machen. Aber es ging, wenn man sich an bestimmte Regeln gehalten hat.
Änderungsvorschläge und die Auswirkungen unter PSD3 und PSR:
Mit den neuen Entwürfen für PSD3 und PSR gibt es klare Tendenzen, die Handelsvertreterausnahme weiter einzuschränken. Die zentralen Punkte, die diskutiert und voraussichtlich umgesetzt werden, sind:
1. Verschärfung der „Nur-eine-Seite“-Anforderung: Die PSR wird die Definition des Handelsvertreters noch enger fassen. Dies wird es für Plattformen, die in irgendeiner Weise eine Schnittstelle zwischen Käufer und Verkäufer darstellen und Zahlungen abwickeln, noch schwieriger machen, sich auf diese Ausnahme zu berufen. Insbesondere sogenannte „Zentralregulierer“, die Sammelzahlungen für viele Anschlusshäuser abwickeln, könnten davon stark betroffen sein, da ihre Anwendbarkeit auf die Handelsvertreterausnahme zukünftig in Frage steht.
2. Fokus auf echten Verhandlungsspielraum: Es wird noch stärker darauf geachtet, dass der Handelsvertreter tatsächlich einen „echten Verhandlungsspielraum“ beim Abschluss des zugrundeliegenden Vertrages über Waren oder Dienstleistungen hat. Reine technische Abwicklungen von Zahlungen oder die reine Vermittlung ohne diesen Spielraum reichen nicht mehr aus. Dies betrifft zum Beispiel:
- Internet-Marktplätze: Wenn sie primär die technische Abwicklung von Kaufverträgen zwischen Käufer und Verkäufer ermöglichen und die Zahlungen treuhänderisch verwalten, ohne selbst als echter Verhandlungsführer aufzutreten.
- Tankstellen, Reisebüros, Ticketverkäufer: Auch hier wird geprüft, inwieweit sie wirklich als Handelsvertreter mit eigenem Verhandlungsspielraum agieren oder lediglich als Vermittler von Gütern/Dienstleistungen, die dann die Zahlungsabwicklung vornehmen.
3. Verlagerung der Bereichsausnahmen in die PSR: Die Bereichsausnahmen, zu denen auch die Handelsvertreterausnahme gehört, werden von der Richtlinie (PSD3) in die unmittelbar geltende Verordnung (PSR) verschoben. Das soll die Harmonisierung innerhalb der EU verbessern und Unterschiede in der Auslegung durch nationale Aufsichtsbehörden verringern.
Fazit zur Handelsvertreterausnahme unter PSD3 und PSR:
Online-Plattformen werden ihr Geschäftsmodell anpassen müssen. Denn die Tendenz ist klar: Die Handelsvertreterausnahme wird weiter eingeschränkt. Wenn das nicht gelingt, muss entweder eine Zahlungslizenz beantragt werden oder es muss in die Geschäftsabwicklung ein regulierter Zahlungsdienstleister eingeschaltet werden. Online-Plattformen sollten daher ihr Geschäftsmodell unverzüglich von einer Fachkanzlei überprüfen lassen.
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