von Dr. Thomas Meschede, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht,
Rund 25.000 € durch Falschberatung verloren – Emsländische Volksbank eG zu Schadensersatz wegen unterbliebener Aufklärung über negative Presseberichterstattung zu Wirecard verurteilt
Die juristische Aufarbeitung des Wirecard-Skandals ist weiterhin in vollem Gange. Während das Bayerische Oberste Landesgericht im Kapitalanlager-Musterverfahren (Az.: 101 Kap 1/22) jüngst zu einer ersten mündlichen Verhandlung am 22. November 2024 geladen hat, sind diverse Gerichte deutschlandweit mit der Klärung von Schadensersatzansprüchen von Anlegern gegen Banken und Sparkassen wegen der Empfehlung von Wirecard-Zertifikaten befasst.
In diesen Verfahren geht es vor allem um die Frage: Kann ein Anlageberater die gehäuften Medienberichte des Handelsblatts und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus dem Jahre 2019, die u.a. unter Bezugnahme auf Recherchen der Financial Times lautstark und wiederholt Zweifel am Geschäftsgebaren von Wirecard äußerten, beiseite wischen, wenn er seinen Kunden zur Investition in Zertifikate auf Aktien des DAX-Unternehmens rät?
Nein, kann er nicht, verkündete am 4. Juni 2024 das Landgericht Osnabrück in einem von unserer Kanzlei erstrittenen Urteil (nicht rechtskräftig). Es sieht eine fehlerhafte Anlageberatung, weil der Anlageberater der Volksbank Lingen eG, heute Emsländische Volksbank eG, den Anleger nicht über den Inhalt der seit Oktober 2019 einsetzenden Berichterstattung im Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Hinblick auf eine mögliche Bilanzfälschung bei Wirecard informierte und den Kauf empfahl.
Landwirt verlor durch die Investition rund € 25.000,00
Am 25. Juni 2020 meldete die Wirecard AG wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Insolvenz an, nachdem sie drei Tage zuvor per Ad-hoc-Meldung mitgeteilt hatte, dass 1,9 Milliarden Euro ihres Vermögens „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht existieren“.
Wenige Monate zuvor – im Dezember 2019 und Februar 2020 – erwarb unser Mandant, ein Landwirt aus dem Emsland, auf Empfehlung eines für die damalige Volksbank Lingen eG tätigen Anlageberaters Zertifikate der DZ Bank mit Bezug auf Aktien der Wirecard AG.
Der Kläger musste die Zertifikate entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen im Juli 2020 für insgesamt 219,35 Euro verkaufen.
Insgesamt ist unserem Mandanten somit ein Schaden in Höhe von 24.905,65 Euro entstanden – eine Summe, zu deren Zahlung die Rechtsnachfolgerin der Volksbank Lingen eG, die Emsländische Volksbank eG, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten im Endurteil vom 4. Juni 2024 verurteilt wurde.
Gericht hält Information über Berichterstattung in FAZ und Handelsblatt zu Vorwürfen der Bilanzfälschung für notwendig
Zur Aufgabe des Anlageberaters der Bank habe es gehört – so das Gericht in der Urteilsbegründung – über die seit Oktober 2019 einsetzende Berichterstattung im Handelsblatt und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung im Hinblick auf eine mögliche Bilanzfälschung bei Wirecard zu informieren.
Dabei handelt es sich um Berichte, die in einem zeitlichen Zusammenhang zur Zeichnung durch den Kläger stehen, so das Landgericht in seiner Urteilsbegründung. Es handele sich auch um einen bedeutenden Umstand der Anlageentscheidung. Schließlich führe eine Bilanzfälschung dazu, dass das Unternehmen anders dargestellt bzw. bewertet wird als es bei den tatsächlichen Zahlen der Fall wäre, so das Gericht. Dies wiederum könne Auswirkungen auf den Kursverlauf haben. Das Gericht stellte fest, dass zwischen den Parteien unstreitig geblieben sei, dass der Anlageberater der Bank diese Presseberichte nicht mit dem Kläger besprochen hat.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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