Wann gelte ich eigentlich als berufsunfähig?
Die erste Frage, die sich der Versicherungsnehmer einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung („BU-Versicherung“) im Falle einer schweren Erkrankung meist stellt ist, wann man eigentlich als berufsunfähig gilt.
Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist gesetzlich bestimmt. In § 172 Abs. 2 VVG heißt es:
„Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.“
Diese Formulierung wird in den jeweiligen Versicherungsbedingungen der privaten BU-Versicherung meist konkretisiert (z.B. im Hinblick auf die Dauer: „mindestens sechs Monate“) und auch eingeschränkt (mittels einer Verweisung auf eine alternative Tätigkeitsmöglichkeit). Die einzelnen Voraussetzungen sind im Wesentlichen folgende:
- Voraussetzung: Krankheit oder Kräfteverfall
Unter „Krankheit“ versteht man einen vom normalen Gesundheitszustand abweichenden körperlichen oder geistigen Zustand, der dauerhaft die berufliche Leistungsfähigkeit bzw. berufliche Einsatzmöglichkeit ausschließt oder beeinträchtigt. Ein „Kräfteverfall“ liegt dann vor, wenn die körperlichen bzw. geistigen Kräfte des Versicherten derart nachgelassen haben, dass dessen Belastbarkeit nicht altersgerecht ist.
Wichtig ist: Der Versicherungsnehmer muss die vorgenannten Umstände beweisen. Nach den meisten Bedingungen muss hierfür ein ärztliches Attest vorgelegt werden, in dem die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die konkrete berufliche Tätigkeit des Versicherten bezogen werden.
- Voraussetzung: Die 50%-Regel
Als berufsunfähig gilt üblicherweise, wer in seinem aktuellen Beruf (auf die Tätigkeit bei Abschluss des Versicherungsvertrages kommt es nicht an) nur noch maximal 50 Prozent der vorher geleisteten Arbeit bewerkstelligt. Es kommt auf die durchschnittlichen Arbeitsstunden an. Wenn ein Angestellter in der Woche regulär 40 Stunden arbeitet, aber durch eine körperliche Einschränkung nur noch 20 Stunden leisten kann, wäre er demnach berufsunfähig. Dies gilt auch dann, wenn er die prägenden Teiltätigkeiten nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ausüben kann, auch wenn diese nicht 50 % ausmachen.
- Voraussetzung: „Voraussichtlich dauernde“ Unfähigkeit der Berufsausübung
Als dritte Voraussetzung muss die Berufsunfähigkeit „voraussichtlich dauerhaft“ verbleibend sein. Dies meint je nach Inhalt der Versicherungsbedingung einen Zeitraum von sechs Monaten oder 3 Jahren (bei älteren Versicherungen).
- Häufiger Streitpunkt: die sogenannte Verweisung
Ein häufiger Streitpunkt in Auseinandersetzungen mit dem Versicherer stellt die sogenannte Verweisung dar. In den Versicherungsbedingungen ist häufig geregelt, dass die Leistung verweigert werden kann, wenn der Versicherte einen anderen zumutbaren Beruf ausüben könnte. Die sogenannte „abstrakte Verweisung“ befreit den Versicherer von Zahlungspflichten, wenn der Versicherte einer anderen sozial ebenbürtigen Tätigkeit nachgehen könnte. Bei einer sogenannten „konkreten Verweisung“ verweist der Versicherer den Versicherten auf die tatsächlich ausgeübte berufliche Tätigkeit, die dieser anstelle seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit bereits aus eigenem Entschluss ausübt und die seinem Wissen und seiner bisherigen Lebensstellung gerecht wird.
- Besonderheiten bei Selbständigen
Kurz angerissen sei an dieser Stelle, dass bei Selbstständigen einige Besonderheiten gelten. So muss der Selbstständige seinen Betrieb im Rahmen des Zumutbaren umorganisieren, um bedingungsgemäß berufsunfähig zu sein. Wenn der Betrieb ohne den persönlichen Einsatz des Betriebsinhabers nicht mehr aufrechterhalten werden kann, weil der Betrieb beispielsweise maßgeblich an der Person des Inhabers mit bestimmten Tätigkeiten (Akquise von Neukunden, besonders künstlerisches oder handwerkliches Geschick etc.) hängt, so kommt eine Berufsunfähigkeit in Betracht.
- Lassen Sie sich beraten
Sofern Ihr Berufsunfähigkeitsversicherer die Leistung mit dem Hinweis ablehnt, dass keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliege, sollten Sie sich von einem auf das Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt beraten lassen. Als erfahrener Fachanwalt für Versicherungsrecht bin ich Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche selbstverständlich gerne behilflich. Eine erste Einschätzung übernehme ich kostenlos und unverbindlich. Kontaktieren Sie mich per E-Mail oder telefonisch.
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